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TRAINING unter SPORTMEDIZINISCHER KONTROLLE

Univ. Prof. Dr. W. Reiterer

Unter niedriger körperlicher Belastung liegt nur eine geringe Milchsäurebildung vor, die geleistete Arbeit liegt somit im aeroben Bereich (Laktatspiegel unter 2 mmol/l) und kann mindestens durch 2 Stunden erbracht werden. Mit ansteigender Belastungsintensität wird letztendlich der Bereich des maximalen Laktat-steady-state erreicht (max Lass, anaerobe Schwelle, Laktat-Elimination und -Bildung stellen noch ein Fließgleichgewicht dar). Diese Zone kann zwischen 2 und 6 mmol/l Laktat liegen - der Trainierte wird diese Belastungsintensität durch 40 bis 60 Min. tolerieren. Steigt die Belastungsintensität weiter an, wird der anaerobe Belastungsbereich erreicht mit weiterem Anstieg des Laktatwertes. Trainierte sind in der Lage, derart hohe Intensitäten bis zu 10 Minuten zu tolerieren. Die anaerobe Schwelle liegt in einem Bereich von 88 - 93% der maximalen Herzfrequenz.

Zur Schwellenbestimmung liegen mehrere Methoden vor, wie der Conconi-Test, die Laktat-Bestimmung unter ansteigender Belastung und die Ergospirometrie zur Bestimmung der ventilatorischen Schwelle und der umfassenden Bewertung der kardio-pulmonalen Anpassung an ansteigende Belastungsimpulse (2-min-Stufen-Test, Reiterer 75/76; VE/VO2-Diagramm zur Bestimmung der individuellen Dauerleistungsgrenze 1977).

Durch die Bestimmung der individuellen maximalen Herzfrequenz können somit Leistungsbereiche für die Trainingsintensität definiert werden, d.h. die Intensitätssteuerung erfolgt über die Herzfrequenz. Für den Breitensport ist die Erstellung einer Herzfrequenz-Leistungs-Kurve von praktischer Bedeutung, beim Hochleistungs-Ausdauersportler ist die Laktat-Leistungs-Kurve (ventilatorische Schwelle) aussagekräftiger. Bezogen auf die Belastungsintensität im Bereich des maximalen Laktat-steady-state wird ein intensiver (2.5 - 3.5 mmol/l Laktat, 90 - 95% max Lass) und ein extensiver (ca 2.0 mmol/l Laktat, 75 - 85% max Lass) Ausdauertrainingsbereich definiert. Ein regeneratives Training (noch kein Anstieg der Katecholamine) liegt im Bereich von 60 - 70 % der individuellen anaeroben Schwelle (bis 1.5 mmol/l Laktat). Bezogen auf die individuell bestimmte maximale Herzfrequenz liegt der intensive Trainingsbereich zur Steigerung der sportlichen Leistungsfähigkeit bei 85% und mehr der maximalen Herzfrequenz, der Trainingsbereich zur Verbesserung der Fitness (extensives Training) bei 65 - 85% der maximalen Herzfrequenz und der regenerative Trainingsbereich zur Aktivierung der Fettverbrennung bei 55 - 65% der maximalen Herzfrequenz. Für Patienten mit Herz-Lungen-Erkrankung wird die Trainingsfrequenz errechnet als fh-Training = fh-Ruhe + (fh-max unter Belastung - fh-Ruhe) * 0.60. Die Intensitätssteuerung erfolgt über die Herzfrequenz, wobei nach Zunahme der Leistungsbreite (4-6 Wo), sofern eine Leistungssteigerung gewünscht und sinnvoll ist, die Trainingsvorgabe neu bestimmt und berechnet werden muß.

Aus praktischen Gründen wird für die medizinische Trainingsgestaltung und Überwachung die Pulskontrolle vorzuziehen sein. Die palpatorische Pulsmessung ist hierfür ungenügend, da geringe Schwankungen der Herzfrequenz bereits einen beträchtlichen Unterschied der Belastungsintensität bedeuten. Praktische Hilfsmittel zum Monitoring der Belastungsintensität sind kostengünstige Geräte zur telemetrischen EKG-Übertragung von einem Brustgurt auf eine Anzeige mit einstellbaren Alarmgrenzen. Für Patienten mit Herzproblemen wird durch die Pulsbegrenzung einer Überforderung vorgebeugt, z.B. Schutz vor Angina pectoris, Rhythmusstörungen, zu hohen Blutdruckwerten und Auslösung eines Herzschwäche-Anfalles. Fakultativ wird die Belastungsintensität durch Laktatmessungen zu überprüfen sein, ob die Anforderungen an den Trainierenden entsprechend sind (regeneratives, extensives, intensives Training). Bei Patienten mit Übergewicht soll die Trainingsintensität im regenerativen Bereich liegen, um den Fettabbau als primären Energieträger der Muskelarbeit zu forcieren und zu konditionieren. Bei Patienten mit respiratorischer Insuffizienz wird ein Monitoring der transkutan gemessenen O2-Sättigung, der Blutgaswerte und er Fluß-Volumen-Kurve fallweise zum Einsatz kommen. Je limitierter ein Patient ist, um so sorgfältiger ist eine Überwachung der betroffenen Organsysteme angezeigt.

Die Trainingseinheiten setzen sich aus einer Aufwärmphase mit Dehnungsübungen, der eigentlichen Trainingsphase (Arbeitspuls nach Vorgabe z.B. bei Ergometertraining, Gehtraining) und einer Abklingphase zusammen. Bei drei Einheiten pro Woche kann nach 4-6 Wochen mit einer Steigerung der maximalen Leistung um 15% und der Leistung im Ausdauerbereich mit 20 bis 25% gerechnet werden. Die Zeitdauer der eigentlichen Trainingsphase wird beginnend mit 8 bis 12 Minuten dann ca 14-tägig um 3-5 Minuten erhöht. Bei höhergradig limitierten Patienten liegt das Ziel in der Toleranz einer Dauerbelastung von ca 30 - 50 Watt, um für die Belastungen des Alltags von fremder Hilfe unabhängig zu werden. Die Steigerung der symptom-limitierten maximalen Belastbarkeit steht hier weniger im Vordergrund als die Verlängerung der Toleranz einer Belastungsintensität. Bei ausgewählten Patienten mit Herzinsuffizienz (NYHA III) läßt sich die periphere Perfusion und O2-Utilisation verbessern (Aufbau der oxydativen Kapazität im Muskel, EDRF-Produktion zur Überwindung der peripheren Vasokonstriktion in Verbindung mit ACE-Hemmer-Langzeit-Therapie). Hierbei spielt die Optimierung der Pharmakotherapie eine wesentliche Rolle, unterstützt z.B. durch Sauerstoffzufuhr über einen Nasensonde aus einem portablen Behälter (flüssiger Sauerstoff, HEIMOX-mobil T, Linde Gas GmbH). Bei diesen schwer leistungslimitierten Patienten steht am Anfang der körperlichen Aktivität die Übung von kleinen Muskelgruppen, um systemische Auswirkungen zu vermeiden. Weiters kann bei diesen Patientengruppen anfangs das Modell der intermittierenden Belastung mit Erfolg eingesetzt werden, d.h. auf eine Phase mit moderater Belastung durch 20 - 30 Sekunden folgt eine gleich lange Phase mit Leerlauftreten bzw. eine kurze Belastungspause. Durch eine höhere Luftströmung in den oberen Luftwegen mit Weitstellung des Naseneinganges (3M Breath Right Ô ) können die Atemarbeit und Kreislaufbelastung reduziert werden.

Bei Ausdehnung der Belastungsdauer (Radfahren, z.B. mehr als 60 Minuten) erhält die Ernährung eine praktische Bedeutung. Zur Aufrechterhaltung der Kohlenhydratversorgung und der Flüssigkeitsbilanz soll eine Vorhydrierung mit periodischer Getränkeeinnahme vom Trainierenden eingeplant werden. Nach einer Müsli-Mahlzeit ca 1 H und einem Getränke-Bolus ca 15 min vor Trainingsbeginn wird die weitere Zufuhr sich nach dem zeitlichen Trainingsaufwand richten. Als Getränke werden isotone Lösungen mit ca 7 %igen Kohlenhydratgehalt empfohlen. Die Konzentration richtet sich nach dem zu erwartenden Flüssigkeitsverlust, abhängig von der Umgebungstemperatur (z.B. bei kalter Umgebung höhere KH-Zufuhr). Durch Gewichtskontrollen vor und nach Belastung wird der individuelle Wasserverlust abgeschätzt, wobei durch die Vor- und Rehydrierung die Gewichtsveränderung unter 2% des Körpergewichtes gehalten werden muß.

Bei Ausdauersportarten, die über den Aspekt des medizinisch indizierten Trainings hinausgehen, sind weitere Supplementierungen, wie Mindest-EW-Zufuhr, Vitamin- und Spuren-Elemente (Mg, Cu, Zk, Fe; Vit E, Kreatin, L-Carnitin) sinnvoll, weiters eine Infektprophylaxe mit polyvalenten Immunglobulinen.

Zur Überwachung und Trainingssteuerung bei Dauerleistungs-Sportlern ist das Monitoring von CPK- und Harnsäure-Werten hilfreich, um Muskel- und Bindegewebsschäden vorzubeugen. Bei Übertraining durch überhöhten Trainingsumfang können zwei Haupttypen, ein addisonoides (parasympathisches) und ein basedowoides (sympathisches) Überlastungssyndrom auftreten. Die parasympathische Fehlregulation ist gekennzeichnet durch einen niedrigen Ruhepuls, Neigung zu Hypoglykämie, Verminderung des maximalen Laktatspiegels und Rückgang der nächtlichen Katecholaminausscheidung. Auf das sympathische Überlastungssyndrom weisen Veränderungen hin, wie höhere Ruhepulsewerte, verminderte maximale Leistung, Appetitverlust, Gewichtsabnahme, erhöhter Ruheblutdruck, orthostatische Hypotonie, Infektanfälligkeit und ein verminderter maximaler Laktatspiegel (Bewertung durch Bestimmung der Pulsvariabilität). Der Hobby-Sportler ist eher mit dem Problem der Belastungs-Myopathie (Muskelkater) konfrontiert: durch schlecht koordinierte und exzentrische Kontraktionen mit überhöhtem Krafteinsatz treten strukturelle Muskelschäden auf (Glykogenverlust im Zytoplasma, interstitielles und intrazelluläres Ödem, myofibrilläre Lyse, Zerreißung von Z-Scheiben in einzelnen Fibrillen, Muskelfasernekrosen). Diese Schäden werden durch ein regelmäßiges und allmählich aufbauendes Training verhindert, wobei einer muskulären Überforderung und Infekten (Entzündungsherde, virale Infekte) vorgebeugt werden soll. Weitere Aspekte zur Prophylaxe von Sportschäden sind der Tab.: 1 zu entnehmen.

Krafttraining bewirkt keine Vergrößerung der Leistungsfähigkeit von Herzkreislauf, Atmung und Stoffwechsel. Jede Kontraktionsarbeit löst einen erheblichen Blutdruckanstieg aus, z.B. beim Dehnen eines Expanders 220/120 mm Hg bei Jugendlichen. Wesentlich höhere Werte finden sich bei Patienten mit labiler und manifester Hypertonie - diese Reaktionen können durch einen isometrischen Belastungstest (Reiterer u. Nissel 1974) objektiviert werden. Die Indikation zu gezieltem Krafttraining ergibt sich vorwiegend aus orthopädischer Sicht, um dem Verlust an Muskelmasse (-40 % zwischen dem 20. und 70. Lebensjahr) am Halte- und Bewegungsapparat vorzubeugen.

Der letzte Punkt (6) der Indikationsliste für Training aus medizinisch-internistischer Sicht stellt eine Beziehung zwischen Körperübungen und psychologischen Auswirkungen her. Ausdauersport bewirkt Aufmunterung und Entspannung, z.B. bei Patienten mit St. p. Myokardinfarkt eine Stimmungsverbesserung, höhere Selbstachtung und verbesserte Arbeitseinstellung. Weiters reduziert körperliche Belastung Angstmechnismen (2-5 h), vermindert depressive Verstimmungen und beeinflußt günstig Angstneurosen. Stress-Situationen werden leichter bewältigt. Bei Ausdauersportlern wird eine kürzere Nervenleitgeschwindigkeit gemessen, die visuelle Leistung sei besser und die Reaktionszeit kürzer. Auf höhere beta-Endorphin-Spiegel wird das "Läufer-High" zurückgeführt.

 Tab.: 1 Prophylaxe von Sportschäden

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