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Kinder- und Jugendtraining aus der Sicht der aktuellen Kardiologie

W. Reiterer

Der Trainingsbeginn im Kindesalter wirft Fragen über die Leistungsfähigkeit und Trainierbarkeit auf, die nicht klar zu beantworten sind. Genaue Daten über die Folgen einer längerdauernde Belastungen im Kindesalter sind kaum verfügbar. Im Wachstumsalter ergeben sich methodische Probleme mit Interferenzen zur Trainingsaktivität, nur nicht-invasive Methoden sind zumutbar, die maximale Leistungsbereitschaft des Kindes ist geringer. Durch die regelmäßige sportärztliche Betreuung soll möglichen Schäden und Fehlentwicklungen vorgebeugt werden. Als Gefahrenquelle gilt eine Zeitdauer der Belastung von mehr als einer Stunde: ein Abfall des Blutzuckerspiegels ist zu erwarten, die Thermoregulation wirkt leistungslimitierend, es droht eine Störung des Baustoffwechsels.

Im Vergleich zum Erwachsenen kann man sagen, daß es keine untrainierten Kinder gibt. Kinder weisen eine gute Toleranz für Ausdauersportarten auf, die Erholungsfähigkeit ist rasch. Die laktazide Belastbarkeit des Kindes ist geringer, das anaerobe System somit geringer ausgereift. Das Sportherz des Ausdauersportlers im Jugendalter ist ein erworbenes und kein angeborenes Phänomen. Eher mit der Pubertät kommt es zur definitiven Determinierung der Muskelfaserzusammensetzung.

 Herz-Kreislauf-System:

Der Quotient aus Herzvolumen und Körpergewicht (KG) bleibt unverändert zwischen Kindes- und Erwachsenenalter, ebenso die relative maximale Sauerstoffaufnahme (VO2max/kg KG) - bei Bezug auf die fettfreie Masse wird der geschlechtsspezifische Unterschied verwischt.

Kinder erreichen höhere Pulswerte (bis zu 200 b/min und mehr bei Belastungszeiten von mehr als 30 min), die Blutdruckzunahme ist geringer. Kinder weisen eine gute Toleranz für Ausdauersportarten auf, die Erholungsfähigkeit ist rasch (z.B. Kindertriathlon mit 0.5 km Schwimmen, 20 km Radfahren und 5 km Laufen).

Leistungsdaten auf dem Ergometer (m = männlich, w = weiblich): maximale Leistung 3.5 Watt/kg m, 2.5 Watt/kg w; PWC-170 ist stark altersabhängig, 2.5 W/kg m, 2.0 W/kg w; VO2max/kg: 50 ml/kg.min m, 45 ml/kg.min w - der Geschlechtsunterschied besteht schon vor der Pubertät. Im Vergleich zum Erwachsenen kann man sagen, daß es keine untrainierten Kinder gibt (VO2max).

Die laktazide Belastbarkeit des Kindes ist geringer (geringere anaerobe laktazide Kapazität, verminderte Laktateliminierung), das anaerobe System somit geringer ausgereift beim Kind. Das Lactatmax steigt mit zunehmendem Alter (6.0 mmol/l bei 7-8 a, 8.0 - 10.0 mmol/l bei 15 - 16 a), bei einem steady-state von 3.0 mmol/l Lactate fällt die relative Leistung (Watt/kg) von 2.5 bei 7-8 jährigen auf 2.0 bei 17-18 jährigen ab.

Die kindliche Kreislaufregulation weist eine hohe Frequenzadaptation auf (kurze Anklingphase an ein steady-state). Eine sichere Aussage über die Pumpleistung (Herzminutenvolumen) ist nicht möglich, die Kreislaufregulation gilt als hypokinetisch, wie bei älteren Menschen: pro Leistung und Sauerstoffaufnahme ist das Herzminutenvolumen geringer als beim Erwachsenen, die DavO2 (periphere Sauerstoffausnutzung) somit regulativ höher.

Das Maximum der relativen Herzgröße wird mit der Pubertät erreicht. Das Sportherz des Ausdauersportlers im Jugendalter ist ein erworbenes und kein angeborenes Phänomen. Durch das Training entstehen keine kardialen Schäden, nach Beendigung des Trainings kommt es zur Rückbildung der Herzvergrößerung.

Die Atmung ist beim Jugendlichen weniger ökonomisch mit einer höheren Ventilation (VE) in Relation zur Sauerstoffaufnahme.

Das subjektive Leistungsempfinden (Borg-Skala) weist im Vergleich zum Erwachsenen geringe Einschätzungen (PER-Wert) für höhere Pulswerte auf.

Thermoregulation, Wasser- und Elektrolythaushalt:

Durch die große Oberfläche droht eine Unterkühlung z.B. beim Schwimmen, zum anderen ist die Wärmeabgabe vermindert durch eine geringere Schweißproduktion bei zugleich höherer Produktion an metabolischer Wärme. Bei einer 60 bis 90 minütigen Ausdauerbelastung gehen bis zu 2 % der Körperflüssigkeit verloren. Der Salzverlust ist bei einem eher hypotonischem Schweiß gering. Das Trinkverhalten muß geschult werden.

Energie- und Baustoffwechsel:

Zur Energiezufuhr sind Getränke mit 5 - 7 %igem Zuckergehalt sinnvoll. Durch die bessere Ausstattung mit oxydativen Enzymen steigen unter Langzeitbelastungen die freien Fettsäuren und Glycerol-Werte stärker an. Durch vermehrte Harnstoffbildung (Gluconeogenese aus Aminosäuren) könnte der Baustoffwechsel bei wiederholter Langzeitbelastung gestört werden.

 Mechanischer Wirkungsgrad, Bewegungsökonomie:

 Der Wirkungsgrad beim Radfahren liegt wie beim Erwachsenen zwischen 20 und 30 %. Pro Weg (Gehen, Laufen) wird mehr Sauerstoff pro kg KG verbracht als ein Erwachsener - als mögliche Ursache gelten eine höhere Bewegungsfrequenz, die geringere Muskelkraft und eine schlechtere Koordination des Bewegungsablaufes.

Talente:

Die Talentfindung im Kindesalter ist schwierig. Eine hohe Laufgeschwindigkeit im Bereich der aeroben Schwelle (2.0 mmol/l Laktat) sollte auf einen späteren Ausdauersportler hinweisen, hohe Laktatwerte auf einen Sprinter. Leistungsfähige Kinder sind allerdings ausdauernd und schnell. Eher mit der Pubertät kommt es zur definitiven Determinierung der Muskelfaserzusammensetzung.

Sportärztliche Betreuung im Kindesalter:

Die sportärztliche Betreuung sollte sicherstellen, daß der Jugendliche

a) herzgesund ist (normales EKG, keine Rhythmusstörung, keine Herzklappenfehler, Ausschluß einer Myokardhypertrophie, normale Blutdruckregulation),

b) die Lungenmechanik nicht verändert ist (keine Atemwegsobstruktion der oberen und unteren Luftwege, keine respiratorische Allergie),

c) Infektquellen ausgeschlossen sind (Gingivitis, Tonsillitis, chron. Bronchitis, Zahngranulome, chron. Sinusitis, Hautinfekte, Harnwegsinfek) und

d) Überlastungsschäden des Bewegungsapparates und Muskeldysbalancen rasch erkannt werden.

Univ. Prof. Dr. med. Wolfram Reiterer
Internist, Kardiologe; Intensivmedizin, Sportmedizin
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